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Der Albiganer Markt

„Nun, Herr Pfarrer, kommt schon bald der Albiganer“, sagte anno domini 1846 ein Holledauer zum neuen Pfarrer. „Der Albiganer, was ist denn das?“ – „ja, sehen sie, da oben bei dem spitzen Kirchturm ist ein Dorf, das heißt Albiganer, da ist am Sonntag vor Christi Himmelfahrt ein großer Menschen- und am Montag auch Viehmarkt, es kommen Leute 3 – 4 Stunden weit her, dann Bäcker, Wirte, viele Kramer und selbst Komödianten, endlich am Montag durfte man tanzen den ganzen Tag und am Dienstag macht jetzt immer noch ein Hunderennen den Beschluss“.

St. Alban ist ein Dorf mit 11 Häusern, eine halbe Stunde westlich von Hörgertshausen gelegen, es hieß früher auch Albion, woraus dann letztendlich das heute allgemein übliche „Albiganer“ entstanden ist. Hier war in alten Zeiten eine Kapelle des heiligen Albanus, größtenteils von Wald umgeben und Grund und Boden, worauf der Heilige ruhte, gehört ringsum sein.

St. Alban, der Gefährte des Bischofs Theoastus und Zeitgenosse des heiligen Ambrosius, wurde nach vielen Missionsreisen, welche er unternommen hat, zuletzt in Mainz von den Ketzern enthauptet. Mit dem abgeschlagenen Haupt in der Hand ist er bis zu jener Stelle gegangen, wo er ruhen wollte. Der Heilige wird deshalb auch in diese Weise dargestellt und unsere Kirche besitzt eine derartige Statue aus dem Mittelalter. St. Alban genoß in seinem kleinen Heiligtum hohe Verehrung, bedrängte und mit leiblicher Not behaftete pilgerten hierher und fanden vielfach Hilfe, die Wallfahrt trug schöne Opfergaben ein, aus welchen in der Mitte des 15. Jahrhunderts der gegenwärtige geräumige gotische Bau entstand, unter allen Kirchen der Nachbarschaft eine der ältesten und im weiten Umkreis die größte. Der schöne Neubau brachte die Wallfahrt noch mehr in Schwung und die Kirche zum Vermögen, alle Donnerstage war eine heilige Messe und die Wallfahrer fanden Gelegenheit zum Beichten, bald meldeten sich Leute, welche des heiligen Alban Untertanen und Nachbarn werden wollten und wirklich wurden. Auf dem Eigentum der Kirche ließen sich ein Wirt erbrechtig, ein Mesner mit Leibrecht, 4 Söldner Freistiftweise nieder, aus diesen 4 sind nun 8 geworden, einem neunten – dem Hintermayer – gab die Herrschaft im Laufe der Zeit einen Waldsaum zur Cultivierung und Ansiedlung.

Die Wallfahrt brachte aber hier wie anderswo auch noch einen Jahrmarkt, welcher für den Sonntag vor Christi Himmelfahrt als ein gefeierter Viehmarkt durch drei Tage vorgemerkt ist. Das ist der erwähnte „Albiganer“ – ein Ereignis für die ganze Holledau, von welchem es heißt:
Wo möchte wohl der Holledauer sein, der sich nicht fänd am Albiganer ein?

Wann nun der Albiganer auf die Welt gekommen ist, ist nicht zu ermitteln, jedenfalls war er anno domini 1684 schon ziemlich alt, denn in diesem Jahre, aus welchem die erste Kirchenrechnung vorliegt, steht unter Ausgaben: „anheur denen Priestern, so mit dem Creuz alda hingegangen und celebriert, für die Mahlzeit altem herkhomen nach jedem 17 cr. 1 hl-thurt, deren anheur 13 gwest“. Es kamen nämlich in Prozessionen am Sonntag die Pfarrgemeinen Au, Attenkirchen und Reichertshausen, am Montag dann Nandlstadt, Tegernbach, Hebrontshausen, Margarethenried, Priel, Volkmannsdorf, Gammelsdorf, Mauern, Inkofen und Hörgertshausen mit allen Filialen – wahrlich ein großer Teil der Holledau.

Beim Volk war St. Alban sehr beliebt, wie das reiche Sagengut bezeugt, das sich um ihn rankt. Es beginnt schon bei seinem Tod, wobei er ja der Legende nach mit dem abgeschlagenen Haupt zu der Stelle wandelte, an der er begraben werden wollte. Seit unfürdenklichen Zeiten ziehen die Wallfahrer nach St. Alban und singen dabei das alte Lied:

In der Holledau, da is da Himme blau
behüat uns, unsa liebe Frau
mia gengan sched nach Albigana
mit a schöna langa Fahnenstanga
vo Wolnzach über Nandlstod
wo da Schimme si voloffa hod
und nacha geht’s sched umi, schau
und nachada bisd scho z’Au

Doch nicht nur körperliche Leiden heilt der heilige Alban, er nimmt sich auch der seelischen an, vor allem bei der schlimmsten Krankheit, dem Liebeskummer, wird er angerufen. Da erzählt man sich heute noch die Geschichte von der sicher schon ältlichen Jungfrau, die noch gerne geheiratet hätte, achtmals war sie schon zum heiligen Alban gepilgert und hatte ihn um einen Mann gebeten, beim neuntenmal kniete sie vor dem Altar und rief laut „o heiliger St. Alban, schick mir an Mo“, der Mesner hatte von der Sakristei aus den Notschrei gehört und rief zurück „derfs a a Roter sei?“, das Mädchen glaubte, der Heilige selbst habe gerufen und antwortete hastig und voll Erregung „ja, nur her damit“.

Bei allem Schönen, die so eine Wallfahrt mit sich brachte, auch an ernsten Tragödien hat es nicht gefehlt – so haben ihrer zwei am Albiganer 1700 Branntwein um die Wette gesoffen, sodass sie am zweiten Albiganer-Tag Leichen waren und erst 1852 ist an demselben Tag ein ganz verworfener Bursche erschossen worden.

Der Albiganer war auch ein beliebter Arbeitsmarkt, auf dem sich die Bauern Saisonarbeitskräfte für die bevorsthende Ernte besorgten; so kam noch 1950 der Bauer Weinhardt von Leutenhofen, das 8 km hinter Kempten liegt, zum Albiganer Markt, um Arbeiter zum Heuen zu werben; um 4 Uhr früh fuhren die Geworbenen mit den Fahrrädern weg und waren um 18 Uhr in Kempten – bei den damaligen mangelhaften Rädern sicher eine beachtliche Leistung; nun wurden sie auf die verschiedenen Bauernhöfe verteilt und arbeiteten 2 Wochen lang auf den Wiesen – der Lohn war für damalige Verhältnisse recht gut, wobei allerdings die Arbeitszeit auch von morgens 5 Uhr und abends um 8 Uhr dauerte.